Wenn sich Träume verändern müssen.
Über das Leben mit chronischen Krankheiten
Von Laura Bischof
Ehrgeizige Träume, große Wünsche und Hoffnung für die Zukunft – so sieht es wohl bei vielen jungen Menschen nach dem Schulabschluss aus. Das Erwachsenwerden lockt mit vielen neuen Herausforderungen, gleichzeitig fühlt man sich endlich frei. Aber was passiert, wenn die eigenen Pläne plötzlich über Nacht zerplatzen wie eine Seifenblase?
Ich bin Laura Bischof, selbstständige Werbetexterin und chronisch krank. Das eine hat zwar nichts mit dem anderen zu tun, aber beides ist ein Teil von mir. Mit diesem Text möchte ich euch ein Stück meiner Lebensrealität näherbringen und mehr Aufmerksamkeit für Menschen mit chronischen Krankheiten schaffen.
Obwohl man täglich mitbekommt, wie viele kranke und teils schwer kranke Menschen in unserer Gesellschaft leben, denken viele nicht daran, dass man auch selbst irgendwann betroffen sein könnte. Das ist auch bis zu einem gewissen Punkt gut so, schließlich wollen wir unser Leben nicht in ständiger Angst verbringen. Aber es nimmt uns auch das Verständnis für Menschen, die ebendieses Schicksal erleben. Und ganz ehrlich, es würde uns auch nicht schaden, wenn wir die kleinen Dinge im Leben ein wenig mehr genießen und wertschätzen würden.
Vor meinen Erkrankungen hätte ich nie gedacht, dass Plattformen wie Instagram und Facebook Communitys beheimaten, in denen man als chronisch kranke Person aufgefangen wird.
Aber zurück zu den Träumen:
Abgesehen von Mediziner:innen oder Pharmazeut:innen sollte eigentlich niemand Fachbereiche auswendig kennen, komplexe Krankheiten im Schlaf wiedergeben und mit passenden Studien belegen können. Auch ein breites Wissen über verschiedene Medikamente oder ein bekanntes Gesicht in der Apotheke sein sollte kein Teil der Zukunftsplanung sein. Was passiert aber, wenn plötzlich genau das, der Fall ist.
Zunächst muss man hoffen, dass man überhaupt jemanden findet, der einem glaubt. Klingt vielleicht abstrus, ist aber leider nicht selbstverständlich. Oft wird man in Arztpraxen nicht ernst genommen, vor allem wenn die klassischen Laborwerte unauffällig sind. Die eigenen Schilderungen von permanenten, starken Schmerzen, bleierner Erschöpfung, Schwindel, Übelkeit usw. werden einfach abgetan, man soll sich ausruhen, zusammenreißen und weitermachen.
Glücklicherweise gibt es aber auch Ärzt:innen, die Verständnis zeigen und bereit sind, gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Plötzlich wird der persönliche Google Suchverlauf also nicht mehr von neuesten Trends geprägt, sondern von Studien, Erfahrungsberichten und der Suche nach Expert*innen, in der Hoffnung, dass man die Nadel im Heuhaufen doch noch findet.
Vor meinen Erkrankungen hätte ich nie gedacht, dass Plattformen wie Instagram und Facebook Communitys beheimaten, in denen man als chronisch kranke Person aufgefangen wird. Man lernt Menschen mit dem gleichen Schicksal kennen, schließt Freundschaften und fühlt sich einfach verstanden. All das heilt zwar nicht die Krankheit selbst, aber die mentale Belastung kann dadurch enorm abgefedert werden. Man fühlt sich plötzlich nicht mehr so allein. Diese “internationalen Selbsthilfegruppen” beinhalten auch einen großen Schatz an Tipps und Erfahrungen, wie man seine Symptome vielleicht besser managen und welchen potenziellen Ansatz man mit den behandelnden Mediziner:innen besprechen könnte. Aber auch hier gilt der generelle Ansatz für Social Media: traue und glaube nicht allem, was du liest.
Es ist ja so, dass wir Menschen alle wunderbar individuell sind. Wir haben alle unsere Stärken und Schwächen sowie Besonderheiten, die uns ausmachen und unseren Charakter prägen. So ist es auch in Lebenssituationen mit Krankheiten bzw. chronischen Krankheiten. Manche Menschen können arbeiten oder studieren, andere müssen all ihre Kraft darauf verwenden, irgendwie durch den Alltag zu kommen oder sind komplett auf Pflege angewiesen. Das ständige Vergleichen, das in unserer Gesellschaft leider sehr häufig passiert, lässt den Druck noch stärker werden und ständig stellt sich die Frage: “Bin ich genug? Warum schaffe ich nicht mehr?”
Bedauerlicherweise haben nicht alle Betroffenen das Glück, dass sich ihr Zustand verbessert und sie wieder mehr Lebensqualität zurückbekommen. Zudem kommt erschwerend hinzu, dass verschiedene Krankheiten, wie zum Beispiel ME/CFS (https://mecfs.at/ueber-me-cfs/), noch immer nicht wirklich ernst genommen werden und man sich dadurch, wie in einem Vakuum befindet und ständig hoffen muss, dass einem die Symptome geglaubt werden.
Symptome, die das eigene Leben komplett auf den Kopf stellen und sich häufig verändern und auch verstärken. Trotz allem gibt es die Hoffnung auf Besserung, auf mehr Leben, auf mehr Träume. Zugegeben, der Arbeitsalltag oder die Selbstständigkeit mit chronischen Schmerzen, chronischer Erschöpfung oder anderen Beschwerden ist anstrengend und oft herausfordernd. Dennoch ist die Dankbarkeit, dass man überhaupt arbeiten kann, einfach riesengroß und ein starker Motor für jeden neuen Tag.
Aber wie meistere ich jetzt meinen Arbeitsalltag mit meiner chronischen Krankheit?
Wenn ein Projekt ansteht, versuche ich mir meistens erst einmal einen allgemeinen Zeitplan zu erstellen. Die wichtigen Deadlines werden besonders markiert, dann trage ich alle anderen Termine, wie beispielsweise Arzttermine, Geburtstage, Physio etc., ein und kann so schon mal grob planen, an welchen Tagen ich Pause machen muss, was möglich sein könnte und wie ich die Balance zwischen Arbeit, Leben und Ruhe schaffe.
In der Theorie sieht das auch immer klar aus. Interessant wird es dann, wenn mein Körper wieder einmal so unberechenbar wie das Wetter im April ist, was gefühlt jede Woche mehrmals passiert. Dann versuche ich einfach innerhalb meiner Grenzen bestmöglich darauf zu reagieren. Dank meiner Selbstständigkeit kann ich dann arbeiten, wann es mir am besten geht. Manchmal ist das auch um fünf Uhr morgens. Auch wenn es mich als strukturliebenden Menschen manchmal wahnsinnig macht, am Ende bin ich immer unglaublich stolz, wenn ich einen weiteren Auftrag erfolgreich abschließen kann.
Die wirkliche Ironie an diesem täglichen Kräftemessen ist, dass man viele Krankheiten von außen nicht wahrnimmt und man nicht sieht, mit welchen Herausforderungen manche zu kämpfen haben. Vielleicht schaffen wir es als Gesellschaft in den nächsten Jahren, dass wir nicht immer vorschnell urteilen, sondern mehr Verständnis für andere Lebensrealitäten aufbringen. Wir alle haben unseren Rucksack zu tragen. Mit etwas mehr Verständnis und Rücksichtnahme könnten wir einen großen Schritt in die richtige Richtung machen.
Was kannst du tun, um deinen Beitrag für mehr Inklusion zu leisten:
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Autorin
Laura Bischof