Menstruationskrankenstand: ein guter Neujahrsvorsatz
Wir schreiben das Jahr 2024, und noch immer sind unsere Arbeitsplätze hauptsächlich von Männern für Männer gestaltet. Gut die Hälfte der Arbeitskräfte menstruiert monatlich, und doch ist die Periode im Büro vollkommen unsichtbar. Woher kommt das und was können wir dagegen tun?
Es fasziniert mich immer wieder, wie offen die Welt mit Kunstblut in Blockbusterfilmen umgeht, die Welt jedoch untergeht, sobald Menstruation zum Gesprächsthema wird. Selbst in Werbespots für Menstruationsartikel wird Blut blau dargestellt. Und könnt ihr euch noch an den Shitstorm der Pinky Gloves 2021 erinnern, die zwei Männer bei der Höhle des Löwen vorgestellt haben, um die Menstruation noch weiter zu tabuisieren? Ich frage mich wirklich, was das alles soll. Wovor haben die Menschen bzw. die Männer Angst?
Ein kleiner Exkurs in die Menstruationstabuisierung
Die Menstruation gibt es schon so lange, wie es uns Menschen gibt. Man könnte meinen, sie ist vollkommen akzeptiert und in unser tägliches Leben integriert. Aber das Gegenteil ist der Fall: nicht nur werden Mädchen und Frauen dazu sozialisiert, sich für ihren Körper und dessen Funktionen zu schämen, das Thema wurde aus dem öffentlichen Raum verbannt und immens privatisiert. Das hat nicht nur zur Folge, dass Menstruationsbeschwerden (98 % der Frauen* leiden darunter) nicht ernst genommen werden, sondern dass die weibliche Gesundheit immer noch zu unwichtig erscheint, als detaillierte Studien darüber zu finanzieren. Und das, obwohl jede zehnte Frau* in Österreich von Endometriose betroffen ist. Tatsache ist, dass die Menstruation uns alle angeht, egal mit welchem Geschlecht wir uns identifizieren. Wenn es mehr als die Hälfte der Bevölkerung regelmäßig in bestimmten Altersabschnitten betrifft, beeinflusst es uns alle – ob bewusst oder unbewusst.
Du fragst dich jetzt wahrscheinlich, was das alles mit Menstruation und dem Arbeitsplatz zu tun hat. Dazu komme ich jetzt: mehr als die Hälfte unseres Lebens verbringen wir bei irgendeiner Art von bezahlter Werksarbeit. Egal ob im Büro, im Handel oder an der frischen Luft: früher oder später wird jemand im Team die Periode bekommen. Und was dann? 14 % der Menstruierenden bleiben regelmäßig von der Arbeit fern, wobei nur 5 % den wahren Grund dafür nennen. Noch immer gilt die Periode unterbewusst als etwas Negatives, und viele Frauen* haben Angst als „schwach“ oder „arbeitsunfähig“ wahrgenommen zu werden. Somit reden nur 26 % der Befragten offen mit ihren männlichen Kollegen über das Thema.
Bleiben wir bei der Arbeitsunfähigkeit: laut einer deutschen und einer australischen Studie berichten 80 % der Frauen* über einen Produktivitätsverlust während ihrer Periode, während 70 % ihre Werksarbeit unter Schmerzmitteln verrichtet (obwohl sie sich arbeitsunfähig fühlen). Ich kann jetzt schon die Kommentarspalte mit Cis-Männer-Rufen hören: „Warum geht ihr dann nicht in den Krankenstand, wenn ihr euch krank fühlt?“. Gute Frage. Ich habe da so ein paar Thesen.
Warum gehen die meisten Frauen* bei Menstruationsbeschwerden nicht in den Krankenstand?
Zum einen, weil wir nicht so erzogen worden. Keine erwachsene Frau in meinem Kindheitsleben, weder meine Mutter noch andere Verwandte, nahmen sich eine Auszeit während ihrer Periode. Niemand hat mir vorgelebt, dass Frau* in dieser Zeit auf ihren Körper hören und den Alltag anders angehen sollte, oder gar könnte. Es wurde erwartet, dass du ganz normal weitermachst. Wie deine männlichen Mitmenschen eben. Denn das sei ja die „Norm“, und alles andere ist „schwach“. Zum anderen wurde ich auch niemals auf meine Periode, beziehungsweise mein Empfinden, angesprochen, weder in der Schule noch später bei der Werksarbeit. Die Periode hat außerhalb meines Bewusstseins einfach nicht existiert. Zudem hätten Frauen* somit viel mehr Krankenstandstage als ihre männlichen Kollegen, wieder ein Nachteil der auffällt und Arbeitgeber*innen missfällt.
Aber nicht nur die körperlichen sowie mentalen Empfindungen sind während der Menstruation ausschlaggebend, auch die sanitären Einrichtungen spielen eine wichtige Rolle. Menstruierende müssen während der Periode öfter als sonst die Toilette aufsuchen, und je nachdem welche Menstruationsartikel benutzt werden, ist eine Toilettenkabine inklusive Waschbecken hygienisch bedingt notwendig. Jedoch weder in meinen Ausbildungsstätten noch bei irgendeiner meiner vergangenen sieben Arbeitsstätten wurde darauf geachtet. Es gab weder mehr Toilettenanlagen für Frauen, noch wurden Menstruationsartikel zur Verfügung gestellt, um die durchaus bestehende Periodenarmut zu bekämpfen. All das, sowie das schambehaftete und möglichst unauffällige Verhalten während unserer Periode, führt dazu, dass die Menstruation weitgehend aus dem alltäglichen Leben verbannt wird.
Was können Arbeitgeber:innen tun?
Die Lösung: Menstruationskrankenstand. Wo ist der Mehrwert, fragst du vielleicht. Menstruationskrankenstand einzuführen, bringt viele Vorteile für das Unternehmen mit sich. Erstens ist eine erhöhte Produktivität und Effizienz bei den Mitarbeitenden sichtbar. Zweitens steigt die Attraktivität des Arbeitsplatzes und er wird auch öfter weiterempfohlen als zuvor. Zudem verbessert er die Mitarbeiter*innen-Bindungsrate und das Vertrauen zwischen Management und Arbeitskräften. Die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menstruierenden wird verbessert und es führt allgemein zu einem offenen Umgang mit der Menstruation im Team.
Wie bei allem im Leben gibt es auch Kontra-Argumente bezüglich des Menstruationskrankenstandes. Umfragen berichten, dass es zu erhöhtem Sexismus sowie Diskriminierung gegenüber Menstruierenden kommen kann, der ihre Arbeitsfähigkeit in Frage stellt. Wird der Menstruationskrankenstand nicht anonym getrackt, bedeutet das auch einen Eingriff in die Privatsphäre der Mitarbeitenden. Außerdem kann es auch zu zusätzlichen Kosten im Unternehmen kommen.
Alles in allem repräsentiert der Menstruationskrankenstand ein wichtiges Instrument, um die Menstruation sowie das Thema Frauen*gesundheit sichtbar zu machen und Menstruierende zu unterstützen. Es bietet die perfekte Grundlage für einen Neujahrsvorsatz, den wir dringend brauchen. Lasst 2024 das Jahr sein in dem wir endlich mehr Schritte vor als zurück in der Gleichberechtigungsdebatte gehen und Raum schaffen, um Tabuthemen wie die Periode zu brechen. Liebe Arbeitgeber*innen: fangt doch gleich heute damit an 😉
Über die Autorin
Kerstin, 31, ist gebürtige Deutsche und wohnhaft in Wien. Aufgrund ihrer beruflichen Vergangenheit im Tourismus und ihrer Liebe zum Reisen hat es sie bereits in einige Länder der Welt verschlagen, welche das Thema Feminismus sehr verschieden interpretieren. Durch ihre ehrenamtliche Content-Arbeit bei der Sorority sowie ihren aktivistischen Blog femtales, setzt sie sich viel mit dem Thema Gleichberechtigung auseinander und versteht sich als leidenschaftliche Feministin.
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